Alle warten auf den Fernsehturm
Geschenke für die Bundesbürger: Am ersten Weihnachtstag, dem 25. Dezember 1952 wurde der offizielle Fernsehbetrieb nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgenommen. Am folgenden Tag wurde erstmals auch die Tagesschau gesendet. Die Geburtsstunde des deutschen Fernsehens erleben aber nur wenige Zuschauer. Bis dahin wurden erst rund 4.000 Geräte für 1.150 DM verkauft. Das Gerät war nur für wenige erschwinglich.
Fernsehsender heiß begehrt
In Stuttgart fehlte ein Fernsehsender. Nur in den Höhenlagen oder mithilfe von Spezialantennen war ein mittelmäßiger Empfang möglich. Als die Krönung der englischen Königin Elisabeth II. im Juni 1953 im Fernsehen ausgestrahlt wurde, hatten die Stuttgarter keine Freude an der Sendung. Weitere unzufriedene Kunden waren zu befürchten, wenn ein Jahr später die Fußballweltmeisterschaft in der Schweiz beginnen wird. Auch die Händler beklagten sich, weil ohne Sender sich die Fernsehgeräte nicht verkaufen ließen. Die Geräte waren inzwischen billiger geworden und das Interesse stieg.
Unumstritten ist die Lage
Der Süddeutsche Rundfunk plante längst Abhilfe. Der Hohe Bopser mit 283 Metern über dem Stuttgarter Talkessel erwies sich als günstiger Standort für einen Fernsehsender. Damit konnte die Rundfunkanstalt einen Sendeempfang in allen Tälern des Landes garantieren.
Ein ästhetischer Aussichtsturm setzt sich durch
Geplant war ein 200 Meter hoher Stahlgittermast. Er sollte rund 200.000 DM kosten und bis zum Spätsommer 1954 fertig sein. Der Regierungsbaumeister und beratende Bauingenieur für Brücken- und Hochbau Fritz Leonhardt erfuhr zufällig von den Plänen. Seiner Meinung nach würde ein Gittermast die Stuttgarter Höhenlage verschandeln. Er begeisterte Helmut Rupp, technischer Direktor des SDR, den Intendanten Fritz Eberhard und den Verwaltungsdirektor Friedrich Müller von seiner Idee, statt einen reinen Zweckbau, einen Aussichtsturm mit einem Cafe zu bauen.
Das umstrittene Projekt nahm seinen Lauf. Teile des Stuttgarter Gemeinderats befürchteten ein finanzielles Desaster. Nach monatelangen Verhandlungen mit der Stadt beschloss der Verwaltungsrat des SDR im Mai 1954, den Fernsehturm aus eigenen Mitteln zu finanzieren und sofort mit dem Bau zu beginnen. Am 10. Juni 1954 rollten die Planierraupen an. Nach den Plänen von Leonhardt wurde der Turm in nur 20 Monaten gebaut. Die künstlerische und technische Leitung übernahm der Architekt Erwin Heinle. Die geschätzte Bausumme lag bei 1,7 Millionen DM.
Stuttgarter Bürger protestierten, als der Turm über die Baumgipfel ragte und aus allen Himmelsrichtungen sichtbar wurde. In Leserbriefen wurde er Schildbürgerstreich, Schandmal oder Fremdkörper in der schönen Waldlandschaft genannt.
Kein Empfang zur Fußballweltmeisterschaft
Zur Fußballweltmeisterschaft 1954 wurde der Turm nicht fertig. Am 29. Oktober 1955, also noch vor der Einweihung des Turms, konnte der SDR den Fernsehsender in Betrieb nehmen. Der Sendeempfang im Großraum Stuttgart war nun gesichert.
Der Turm im Wandel der Zeit
Als der Turm 1956 eingeweiht wurde, summierten sich Gesamtkosten auf 4,2 Millionen DM. In den folgenden 53 Jahren waren immer wieder Renovierungsarbeiten nötig, die viel teurer waren als die ursprünglichen Baukosten. Von 1979 bis 1983 wurde für die Modernisierung der Aufzugsanlage, der Energieversorgung, der Klimaanlage und der Kücheneinrichtung 11 Millionen DM investiert.
Die neueste und komplizierteste Sanierung dauerte von April bis November 2005. Die Außenhaut des Turmkorbs musste nach 50 Jahren dringend erneuert werden. Zum ersten Mal wurde dafür der Turm für mehrere Monate geschlossen.
Auch viele technische Erneuerungen wurden in den Fernsehturm eingebaut. Sie verbesserten vor allem das Sicherheitssystem des Turms. Dazu gehört beispielsweise die Rauchsauganlage von 2005. Mehrmals erneuert wurden auch die Lüftungs-, Heizungs- und Sprinkleranlagen.